Das längste Prequel der Welt? Darum enttäuscht Kevin Costners Western-Epos „Horizon“ - Filmkritik (2024)

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Von: Adam Arndt

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Das längste Prequel der Welt? Darum enttäuscht Kevin Costners Western-Epos „Horizon“ - Filmkritik (1)

Es ist lange her, dass Kevin Costner selbst Regie bei einem Film geführt hat. Mit dem ambitionierten, teils selbstfinanzierten „Horizon“ wollte er es noch mal wissen. Doch die drei Stunden liefern überraschend wenig Film und fühlen sich eher wie ein Prequel an - zu etwas, was vielleicht nie fortgesetzt wird...

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Normalerweise sollte man einen Film nicht abschreiben, bevor er ins Kino kommt, doch bei „Horizon“ von Yellowstone-Star Kevin Costner und seinem katastrophalen US-Start sowie der internationalen Strategie, beide Teile eigentlich innerhalb weniger Monate veröffentlichen zu wollen, gibt es eine Sondersituation.

Es lagen diesmal einige Wochen zwischen dem US-Start am 28. Juni 2024 und dem Deutschlandtermin am 22. August. Statt, wie mittlerweile üblich, ein paar Tagen oder einer Woche dazwischen sind es also knapp zwei Monate gewesen. Diese lassen eine erste Auswertung zu und ebenso eine Prognose darüber, ob der ambitionierte Plan von Costner, bis zu vier Teile zu verfilmen, aufgehen kann. Aktuell sieht es damit nämlich schlecht aus. Weltweit sind es bislang 34 Millionen US-Dollar, die eingespielt wurden, wobei viele Märkte, wie schon erwähnt, noch folgen werden. Aber eigentlich tragen sich Western vor allem in den USA...

Die ersten beiden Filme kosten aber schon einmal etwa 100 Millionen Dollar und Costner muss, so wie sein Deal strukturiert ist, Promo- respektive Werbekosten selbst schultern. Das sind allesamt keine guten Vorzeichen für eine nachhaltige Reihe oder der Art Westernfranchise, von dem er wohl geträumt hat. Wäre zumindest inhaltlich ein tolles Werk entstanden, wäre das gar nicht so schlimm, aber der von „Yellowstone“ zuletzt ein Millionenpublikum gewöhnte Darsteller und Regisseur dürfte kaum zufrieden sein. Zumal ein dreistündiges Prequel statt einem vollwertigen Film geliefert wird...

Darum geht es im Westernfilm „Horizon“

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Im New Mexico des Jahres 1861 zeigen sich die Vorboten des Amerikanischen Bürgerkriegs, die den Süden Nordamerikas treffen. Einige weiße Pioniere wollen auf ihrem Zug gen Westen die Gebiete der Apachen besiedeln, doch militante Splittergruppen des indigenen Volkes wehren sich immer wieder brutal und überaus tödlich gegen diejenigen, die sich Hoffnung auf ein neues Zuhause machen.

Als der Vater der gefürchteten Sykes-Brüder Opfer eines Anschlags wird, nehmen seine Söhne die unbarmherzige Verfolgung der Attentäterin auf. Zudem sehen wir in mehreren heutigen US-Bundesstaaten, wie die Siedlungsversuche mal mehr und mal weniger kompliziert verlaufen. Mal wird in einem Wagenzug durchs Land gestreift, mal bereits besiedelte Orte erkundet, in der Hoffnung, ein eigenes Claim abzustecken.

Hier schon mal der Trailer zum Film „Horizon“:

Was Costner in jedem Fall gelingt, ist, ein beeindruckendes Ensemble für seine Vision zu versammeln. Neben dem aus „Avatar“ bekannten Sam Worthington, Giovanni Ribisi (Sneaky Pete), Danny Huston („Yellowstone“) und Luke Wilson („Zombieland 2“) spielen auch Sienna Miller (Anatomy of a Scandal), Jena Malone („The Hunger Games“) und Abbey Lee („Mad Max: Fury Road“) mit. Das Drehbuch schrieb Kevin Costner zusammen mit Jon Baird („The Explorers Guild“).

Costner nimmt sich sehr viel Zeit für recht wenig, was hängenbleibt

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Costner lässt als Hauptkreativer sehr viel Geduld walten, um mehrere Handlungsorte, sehr viele Figuren und unterschiedliche Lebenserfahrungen der amerikanischen Kolonisten und einiger indigener Figuren darzustellen. Der Fokus liegt aber, wie man es erwarten würde, bei den Siedlern.

Man kann eine Bemühung feststellen, dass auch die Apachen und andere Stämme zu Gehör kommen und besonders bei den Aggressoren bemüht man sich zu demonstrieren, dass es sich augenscheinlich nur um eine kleine, wütende, jugendliche und militante Untergruppe handelt, die viel Schaden anrichtet. Nur leider lief es geschichtlich wahrscheinlich nicht immer ganz so differenziert und die Siedler gewannen schnell die Oberhand - vor allem durch Fortschritte in militärischer Organisation und Waffentechnik, dass man ungefähr weiß, in welche Richtung sich der tödliche Konflikt und das ganze Land entwickelt.

Immer wieder wechseln die Handlungsorte ein wenig episodenhaft und bei 180 Minuten Lauflänge mit eingeplanter Fortsetzung fragt man sich, warum das eine Filmreihe geworden ist und nicht einem Streaming-Sender angeboten wurde. Besonders beim Blick auf die kommerziellen Erfolge von Westernfilmen in den letzten 30 Jahren... Strukturell würde sich der Stoff als Serie vollkommen anbieten. Zumal die größte Frechheit das Films sein sogenanntes Ende ist.

Da sitzt man als Zuschauer drei Stunden im Kino und dann wird einem eine Art sizzle reel, eine Art Zusammenschnitt vorgesetzt, das weder einen halbwegs runden Abschluss für das Kapitel bieten kann noch den Film an sich irgendwie komplett anfühlen lässt. Als Zuschauer fühlt man sich da wahrscheinlich veralbert oder sogar abgezogen. Das ist alles noch umso tragischer, wenn man weiß oder wenn abzusehen ist, dass eine Fortsetzung - zumindest zeitnah bei dem momentanen Box-Office-Erfolg - eher fraglich ist. Vielleicht findet sich doch noch ein Streamingdienst beispielsweise Max, Amazon Prime Video oder Paramount+, bei denen man daraus eine schöne Miniserie machen könnte.

„Horizon“ ist als Film handwerklich überdurchschnittlich, aber...

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Costner versteht sein Handwerk und liefert eine kompetente Inszenierung ab, die westerntypisch einiges bietet: von Duellen und shoot-outs über tragische Geschichten und Verluste von Familie und Land sowie Rache und Vergeltung bis hin zur Hoffnung auf ein besseres Leben. Mehrere Momente sind sogar recht spannend inszeniert und erinnern an einen etwas modernen Filmemacher wie Quentin Tarantino.

Irgendwie altmodisch und aus der Zeit gefallen ist hingegen die Tatsache, dass Costner seiner Figur selbst ein viel zu junges love interest, gespielt von Abbey Lee (Lovecraft Country), an die Seite stellt. Marigold ist eine Prostituierte im Wilden Westen und könnte wahrscheinlich locker seine Enkelin oder zumindest Tochter sein. Das mag im alten Westen vielleicht die Realität widergespiegelt haben, bringt aber irgendwie doch ein Geschmäckle beim modernen Publikum mit...

Positiv fällt Jamie Campbell Bower (Stranger Things) als Schurke auf, weil er ein hassenswerter Stinkstiefel ist. Auch sein Filmbruder hat eine imposante Präsenz.

Hier auch noch der Originaltrailer zum Film „Horizon“:

Wie schlägt sich „Horizon“ gegen andere (Neo-)Western?

Doch kann der Film mit modernen Western mithalten? Wahrscheinlich nicht. Wie es geht, zeigen besagter Tarantino, aber auch die Coen-Brüder mit ihren (Neo-)Western wie „No Country for Old Man“, dem Remake von „True Grit“ oder eben auch Taylor Sheridan mit einigen seiner Kinofilmen wie „Hell or High Water“ und natürlich mit seinem „Yellowstone“-Franchise. Letzteres erreicht allein in den USA selten gewordene zweistellige Zahlen in den Einschaltquoten.

Fazit

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Ein sehr ambitioniertes Herzensprojekt ist nicht zu verachten, aber leider scheint es so, als habe sich Kevin Costner mit „Horizon“ enorm verhoben oder überschätzt, welchen Beitrag er für den Erfolg von „Yellowstone“ beigetragen hat. Er hat viel vor und wollte viel erzählen, doch dabei kommt ein Film heraus, der sich in keiner Weise komplett anfühlt, sondern wie ein überlanges Prequel - ohne Garantie auf Fortsetzung oder Pay-off.

Das liegt übrigens auch nicht an den Zuschauern, die angeblich keine Geduld mehr für Stoffe wie „Horizon“ hätten, sondern einzig und allein an dem Filmemacher, der nicht ordentlich abliefert oder Marktforschung betrieben hat. Ohne dieses unbefriedigende Ende wäre sicherlich auch durchaus mehr drin gewesen.

So kann ich aber leider nur drei von fünf Revolvern ziehen.

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